Das Bundesarbeitsgericht hatte im Jahr 2019 einen Fall zu entscheiden (BAG 20.02.2019, Az.: 2 AZR 746/14), in dem ein Chefarzt eines kirchlichen Krankenhauses gekündigt wurde, da er eine zweite Ehe eingegangen war.

Arbeitnehmer, die in kirchlichen Arbeitsverhältnissen beschäftigt sind, unterliegen besonderen arbeitsrechtlichen Regelungen. Für kirchliche Arbeitsverhältnisse existiert eine sogenannte „Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse“. Diese muss von den Arbeitnehmern anerkannt werden und verlangt, dass sie ihre Tätigkeit an der Glaubens- und Sittenlehre und der Rechtsordnung der katholischen Kirche auszurichten haben.
Inhalt dieser Glaubenslehre ist unter anderem das Sakrament der Ehe. Demnach darf eine Ehe nicht geschieden werden und eine zweite Eheschließung ist als Verstoß gegen das Kirchenrecht unzulässig. Da der Chefarzt eine zweite Ehe eingegangen ist, wurde er bereits im Jahr 2009 gekündigt.
Es folgte ein jahrelanger Streit zwischen den Urteilen des Bundesarbeitsgerichts und dem katholischen Krankenhaus, welches mehrfach wegen ergangener Urteile vor das Bundesverfassungsgericht zog.

Urteil: Kündigung war unzulässig!

Nun hat das Bundesarbeitsgericht die wahrscheinlich letzte Entscheidung getroffen, welche zugunsten des Chefarztes erging. Zunächst hatte das Krankenhaus die vorherigen Entscheidungen beim BVerfG überprüfen lassen, welches zu dem Entschluss kam, dass die Religionsgemeinschaften ein im Grundgesetz verankertes Recht hätten (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 ff. WRV), ihre Angelegenheiten selbstständig zu regeln.

Das BAG stimmte dieser Auffassung im Grundsatz zu, jedoch müsste bei jeder Kündigung im Einzelfall überprüft werden, ob die enttäuschten Loyalitätserwartungen des Arbeitgebers dazu führen, dass die Weiterbeschäftigung unzumutbar ist.

Das Recht des Arbeitnehmers auf ein Privat- und Familienleben müsse dabei mit dem Innenrecht der Kirche abgewogen werden.
Das BAG hat daraufhin eine Entscheidung des EUGH ersucht, um feststellen zu lassen, ob ein Fall der Diskriminierung vorläge. Dieses hat festgestellt, dass eine berechtigte Diskriminierung nur vorläge, wenn die Einhaltung des kirchlichen Ethos eine berufliche Anforderung darstelle, die angesichts der in Rede stehenden kirchlichen Organisation wesentlich und gerechtfertigt ist.
Im Ergebnis bedeutete dies, dass die Diskriminierung gegenüber dem Chefarzt nicht gerechtfertigt war, da von diesem in erster Linie nur medizinische Fähigkeiten erwartet werden. Ob er darüber hinaus auch das Sakrament der Ehe einhält, ist für seine Patienten nicht von Relevanz.

Für die kirchlichen Organisationen bedeutet dies einen großen Eingriff in ihre internen arbeitsrechtlichen Ausgestaltungen. So dürfen sie zukünftig eine Kündigung nicht mehr alleine auf eine Wiederheirat stützen, sondern werden zu überprüfen haben, ob für eine bestimmte Tätigkeit die kirchlichen Forderungen eine „wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung“ darstellen.